Nach fast 5 Jahren im APS-C-Segment stehe ich vor dem Wechsel zu einer Kamera im Vollformat (was die Unterschiede sind, erklären sehr gut sowohl Benjamin Jaworskyj als auch Thorsten Stolze). Gründe dafür gibt es gerade in der Landschafts- und Architektur-Fotografie genug (u.a. bessere Dynamikwerte, höhere mögliche ISO-Werte und im Regelfall professionellere Kameras). Weil ich nahezu nichts von meinem bisherigen Equipment „mitnehmen“ kann, habe ich in den vergangenen Monaten drei Kameras unterschiedlicher Hersteller getestet — Canon, Nikon und (natürlich) Sony.
Mit meiner Sony Alpha SLT-A77 bin ich absolut zufrieden — sie tut in ihrem Rahmen das, was sie soll, gut. Hier und da gibt es besonders bei Low-light und höheren ISO-Werten (teilweise schon 400+) unangenehmes Rauschen — das war in vielen Fällen aber verkraftbar. Ich muss also nicht aus Unzufriedenheit zu einem anderen Hersteller wechseln. Ich halte es dennoch bei einem vollständigen Systemwechsel für logisch, die Augen offen zu halten und über den Tellerrand zu schauen. Am Ende will ich eine Entscheidung treffen aus den für mich und mein Interesse richtigen Gründen. Also habe ich mir die Line-ups von Canon, Nikon und Sony angeschaut.
Canon EOS 5D Mark III / Canon EF 24-105mm f/4L IS USM
Die Canon EOS 5D Mark III hatte ich am ersten Mai-Wochenende zum Testen. Sie macht tolle Bilder, fühlte sich für mich aber vom ersten Moment „veraltet“ an. Sie löst 22,1 MP aus, was mir nicht ausreicht. Warum? Fotos in voller Größe erreichen eine Auflösung von 5.760 x 3.840 Pixeln aus (immerhin 2 MP weniger als meine aktuelle Kamera) und sind damit noch immer ausreichend gut für den Ausdruck. Ich beschneide allerdings Fotos gerade von Stadtansichten oder architektonischen Highlights extrem, so dass ich um jeden zusätzlichen Pixel froh bin.
Zugegeben — die größte Umstellung für mich war natürlich der fehlende LiveView, den ich von der Sony gewohnt bin, sowie der optische Sucher. Ja, die Canon hat eine LiveView-Funktion, die ist aber in keinster Weise mit der der Sony-Kameras vergleichbar. Bei letzteren habe ich ziemlich simpel sowohl über das Display als auch den Sucher die Möglichkeit, jede Änderung an den Einstellungen (ISO, Blende, Belichtung) direkt zu sehen. Und zwar in den meisten Fällen genau so, wie das Bild später auch aussehen wird (okay, je dunkler es wird, desto weniger nützlich ist die Vorschau, gilt zumindest für meine Alpha 77). Das ist schon ziemlich komfortabel.
Das Fehlen ließe sich sicher mit der Zeit überbrücken.
Aber ich wurde während meines Test-Wochenendes den Eindruck einfach nicht los, dass es bei der schnellen Entwicklung auf dem Kamera-Markt wenig Sinn macht, viel Geld in eine Kamera zu stecken, die schon ein paar Jahre auf dem Buckel hat. Die man ihr auch anmerkt, zum Beispiel im schrecklichen Menü, das ich sehr konfus und wenig benutzerfreundlich fand. Canon hat vor einigen Wochen einen 50 MP-Boliden mit der 5DS sowie der 5DSr herausgebracht; im Prinzip sind diese zwei Kameras jedoch nichts anderes als eine höher auflösende 5D Mark III und somit keine „echte“ Weiterentwicklung der kompletten Kamera.
Nikon D810 / Nikon Nikkor AF S 24-70/2.8 G ED
Die Nikon D810 war die Kamera, die mich am meisten herausgefordert hat. Leider hatten weder der Verleiher noch ich selbst mich darüber informiert, dass das Objektiv keine Stabilisierung besitzt. Ich war einfach davon ausgegangen, dass dem so ist. Entsprechend hoch waren mein Frust über verwackelte, unscharfe Fotos und der Ausschuss.
Davon abgesehen fand ich die Nikon deutlich interessanter als die Canon: Sie hat eine schön zugängliche Bracketing-Taste für Belichtungsreihen. Insgesamt erschienen mir die Tasten-Positionen und -Belegungen schlüssiger als bei der Canon. Negativ aufgefallen ist mir, dass sich der Aufnahme-Modus nur über ein Menü einstellen lässt (nicht wie bei Canon und Sony über ein Moduswahlrad auf der Kamera) und dass die Menüs irre tief verschachtelt sind. Zudem ist die Kamera das Schwergewicht in diesem Test.
All das ist verschmerzbar (abgesehen von den grottigen Menüs), womit ich die Nikon D810 nicht unspannend finde.
Sony Alpha ILCE-7MII / Sony SEL2470Z Vario-Tessar T* FE 24-70 mm F4 ZA OSS
Mein Problem mit Sony-Vollformatkameras war lange Zeit, dass aus meiner Sicht absolut nicht klar war, wohin Sony sich in dem Segment weiterentwickeln wird. Sony hat zwei Line-ups: DSLR-Kameras (A-Mount, einziger Vertreter die Sony A99) und Systemkameras (E-Mount mit aktuell 5 Vertretern). Bis Anfang des Jahres war nicht auszumachen, wo Sony den Fokus legen wird und ob Sony genug Energie in seine Line-ups investiert. Problematisch ist nämlich, dass es aktuell nur eine überschaubare Anzahl an Objektiven für E-Mount gibt — und das zu gefühlten 99% nur von Sony bzw. Sonys Partner Zeiss. Weder zum Beispiel Sigma noch Tamron verkaufen hier Objektive. Bei der knapp drei Jahre alten A99 ist das anders, allerdings ist hier kein Nachfolger in Sicht.
Seit Anfang des Jahres hat Sony sein Segment im Vollformat-E-Mount deutlich erweitert. Zur A7, der A7r und der A7s haben sich die A7 II und erst kürzlich die A7r II gesellt. Und damit scheint es sehr klar, dass Sony hier weiter ausbauen wird.
Die A7r hatte ich im Sommer 2014 bereits getestet, spannendes Teil, aber mit noch zu vielen „Kinderkrankheiten“ ausgestattet.
Da die Berichte über die Sony A7 Mark II sehr positiv ausfallen, nahm ich sie mir vor — sie hatte es von allen Kameras in meinem Test jedoch am schwersten. Warum? Am Test-Wochenende war es sehr heiß (tagsüber bis 40° C), so dass mir die Lust und Energie für lange Fototouren fehlte. Nichts desto trotz war die Gewöhnung an die Kamera sowie die Bedienung für mich ein Kinderspiel. Zwar ist das Menü sehr viel grafischer geworden und sieht ganz anders aus als das meiner aktuellen Sony A77, dennoch ist es bekanntes Terrain.
Die Kamera ist toll zu bedienen, macht klasse Fotos (von denen einige sogar mit sehr hohen 4stelligen ISO-Werten noch brauchbar sind) und ist das Leichtgewicht der drei Testgeräte.
Fazit
Canon und Nikon gehören natürlich ohne Frage zu den Platzhirschen bzw. den alten Hasen im Fotografie-Geschäft. Sie bieten durch ihre große Produktpalette ein reiches Angebot an Objektiven und weiterem Zubehör. Hier hat Sony wie beschrieben noch immer einen ganz klaren Nachteil.
Aber, um im Bild zu bleiben: Ein alter Hase ist eben durch sein Alter auch langsamer und neueren Entwicklungen nicht ganz so aufgeschlossen. Es ist absolut nicht zu übersehen, dass die Innovationen im Markt eben nicht von Canon und Nikon kommen, sondern sehr eindeutig von Firmen wie Sony (oder auch Olympus und Fuji). Mit großer Wahrscheinlichkeit wird meine nächste Kamera also wieder von Sony kommen.
Stay tuned! Hätte ich mich nach dem letzten Test-Wochenende entscheiden müssen, hätte die Favoriten-Reihenfolge so ausgesehen:
3: Canon 5D Mark III
2: Nikon D810
1: Sony A7 II
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[…] ein paar Wochen hatte ich an dieser Stelle schon einmal berichtet, dass ich von meiner bisherigen Cropformat-Kamera Sony SLT-A77* auf eine Vollformat-Kamera […]